Heiße Wochen

Ganz Ohr ist Bernice, wenn sie vom Fenster unbekannte (und dann meist laute) Geräusche hört.

Dass wir eine ganze Weile nichts geschrieben haben, liegt vor allem an der extremen Sommerhitze, die Mensch und Katze gleichermaßen schlapp macht. Seit sieben Wochen sind die Temperaturen hoch und Bernice Zimmer im Dachgeschoss wird brütend warm. Ihr scheint das weniger auszumachen als uns. Die meiste Zeit döst sie, wie man das bei Katzen in südlichen Ländern kennt, schier endlos in ihrer Lieblingsecke und erhebt sich nur zum Fressen und für den Gang zum Klo. Jetzt frisst sie mit Vorliebe Nassfutter und liebt es, mittags ein frisches Extrahäppchen zu kriegen, weil wir die Tagesration wegen der Hitze auf kleinere Portionen verteilen.

Dennoch vergehen die heißen Wochen nicht ereignislos. Zunächst mal sind wir mit Bernice Interviewpartnerinnen bei Radio Erft, die gerne einen Beitrag bringen wollen, was denn aus dem „Notfall Bernice“ geworden sei. Schließlich wird aus der 3/4 Stunde unseres Erzählens ein sehr kurzer 90-Sekunden-Beitrag über das Leben mit einer behinderten Katze. Nun ja.

Nur noch ein sehr seltener Liegeplatz ...

Dann sind wir mal wieder Gast bei der TÄ mit Bernice. Die Katze humpelt seit ein paar Tagen und es zeigt sich, dass eine Kralle so lang gewachsen war, dass sie sich in den Ballen zu bohren droht. Da Bernice nach wie vor sehr ängstlich, ja fast panisch beim Anfassen ist, trauen wir uns das Krallenschneiden nicht selber zu und fahren mit Bernice ins Tierheim. Die Fahrt macht sie zusammengekauert, aber anstandslos mit und lässt sich von der TÄ ohne Widerstand alle Krallen stutzen. Die Ärztin ist im Übrigen sehr zufrieden mit Bernice Entwicklung nach diesen ersten fünf Monaten.

Anfang Juli haben wir endlich ein länger geplantes Vorhaben wahr gemacht und den „Retter“ von Bernice, Herrn Kohlgraf, angerufen, um ihm in Bernice Namen zu danken und die Stelle aufzusuchen, wo er sie gefunden hat. Das ist ein interessantes Treffen! Herr Kohlgraf erzählt nämlich – mitten im Industriegelände Knapsack zu Füßen des großen RWE-Kühlturms – dass er Bernice gar nicht an der Katzenfutterstelle aufgelesen hat, sondern hier zwischen den Gebäuden.

Der Sockel des ehemaligen RWE-Kühlturms mitten im Industriegebiet Hürth-Knapsack, der das ganze Industriegebiet überragt.

Dort unter diesem Busch hatte sich Bernice versteckt. In der Ecke rechts oben ist ein Stück des Kühlturms zu sehen.

Den Putzfrauen aus dem Werk ist die Futter suchende Tigerkatze in einem Busch vor dem Gebäude aufgefallen, und sie haben ihr mitleidig etwas zu Fressen hingestellt, was die ausgehungerte Katze auch gerne genommen hat (ein Dank an diese Frauen!!). So ist es einige Tage gegangen, dabei fiel den Frauen dann der merkwürdig torkelnde Gang des Tieres auf. Sie haben den als „Katzenpapa“ bekannten Herrn Kohlgraf verständigt, der sich seit mehr als 20 Jahren um die Katzen im Gelände kümmert. Als er Bernice in ihrem Versteckbusch sucht, flüchtet sie quer über die Straße geradewegs gegen eine Wand und irrt planlos umher. Ihm ist schnell klar: „Die hat was mit den Augen!“ Gemeinsam haben sie die Katze eingefangen und Herr Kohlgraf hat sie zum Helenenhof gebracht.

So hat sich Bernices ursprüngliche Geschichte vom Überlebenskampf an der Futterstelle etwas korrigiert. Sie hat zwar vermutlich Attacken von anderen Katzen auf dem Gelände erleiden müssen, so verwundet wie sie war, doch am Futterplatz ist sie wohl nicht gewesen. Herr Kohlgraf geht fest davon aus, dass das Tier hier mitten im riesigen Industriegelände bewusst ausgesetzt wurde, denn die nächsten Wohnhäuser sind viel zu weit entfernt.

Ist sie nicht einfach wunderschön?

Einige Tage später steckt zwischen den zahlreichen E-Mails, die Bernice immer noch zum Vorlesen bekommt (DANKE an alle!), ein Tipp von Birgit G. aus der Yahoo-Group „Sieben KatzenLeben“, die sich Gedanken gemacht hat über Bernices Blindheit. Vor allem beim Verdacht, dass Unfall, Schock oder Gewalteinwirkung der Auslöser gewesen ist, was leider ja niemand von uns weiß, sei das homöopathische Mittel Arnica Montana sehr hilfreich, wenn es in einer Hochpotenz gegeben werde. Sie regt an, dass wir Bernice das Mittel einmal wöchentlich für etwa 2 Monate geben. Im günstigsten Fall könne sich an ihrer Sehfähigkeit dann etwas tun, so dass Bernice vielleicht ein wenig hell-dunkel unterscheiden könne, zumindest sei das Mittel auch hilfreich nach Schock und Traumatisierung, so dass sie sich sicher weiter entspannen wird.

Wir nutzen jede Möglichkeit und geben Bernice jetzt seit drei Wochen dieses Mittel und sind sehr neugierig, was sich so tut. Unser – natürlich immer subjektiver – Eindruck: Das mit der Entspannung wird immer noch ein Stückchen besser. Selbst bei regem Tun in ihrem Zimmer bleibt sie viel länger relaxt liegen und hebt höchstens leicht den Kopf. Vor allem beim Vorlesen gibt es Momente, da dreht sie sich fast auf den Rücken in Wohlfühlpositionen!

Mehrere haben auf unsere Überlegungen reagiert, vielleicht eine Zweitkatze als Begleiterin ins Haus zu holen, und für den jetzigen Zeitpunkt abgeraten. Uns leuchtet auch ein, dass es für Bernice wichtiger sein mag, ein eigenes Revier ungestört von anderen bewohnen und genießen zu dürfen, als eine kätzische Gesellschaft zu haben, die auch wieder zur Bedrohung werden könnte. Wir gönnen ihr diesen Raum von Herzen. Erst mal sehen, wie sie weiter im Hause den Raum in Besitz nimmt und sich sicher fühlt.

Zwischen den Kissen

In der Entwicklung eines „Catwalks“ für die Treppe nach unten sind wir ein paar Schritte weiter gekommen. Die Stufen sind mit einem Streifen Sisalteppich belegt, und das Katzennetz, mit dem wir die offene Treppe nach unten hin sichern werden, ist auch schon da. Wenn es in diesen Tagen mal ein wenig abkühlt, werden wir die Treppenstufen abschrauben und alles sicher befestigen. Dann kann die tapfere Tigerin ihr stetes Hinunterschnuppern in die 1. Etage in Gehversuche umsetzen. Ihrer Neugier und ihrer Beweglichkeit wird das sicher sehr gut tun! Eigentlich bewegt sie sich zu wenig aktiv. Aber was spielt Mensch mit einer blinden und dazu sehr schreckhaften Katze? Gibt es da gute Ideen?

Andrea N. fragt uns per E-Mail, ob wir schon mal überlegt hätten, mittels einer Tierkommunikatorin Kontakt mit Bernice aufzunehmen. Offen gestanden: Wir haben zumindest schon ein Buch zum „Katzenflüstern“ gekauft, doch wir haben beide nicht wirklich diese Fähigkeit. Warum also nicht einen Versuch wagen? Alles was Bernice helfen könnte, probieren wir. Fragen an Bernice haben wir ganz viele, schon seit den ersten Tagen, aber wichtig ist uns auch, dass dies keine einseitige Kommunikation ist: Bernice soll vor allem die Möglichkeit haben, Wünsche an uns und an die Gestaltung ihres neuen Lebensraums mitteilen zu können. Wir sind ganz gespannt, was daraus wird. Vielleicht kann die Kommunikatorin einen hilfreichen und ermutigenden Draht zu der immer noch so vorsichtigen und ängstlichen Katze herstellen.

Weiterhin werden wir das Dachgeschoss und Bernices Zimmer zu einem Abenteuerspielplatz für ihre Sinne ausbauen. Verschiedene Bodenbeläge (Teppich, Sisal, Plastik, Fliesen, Kratzmatte) hat sie schon, aber wir möchten das um Kräuter, Duftpflanzen, mehr Katzengras und für die Nase interessante Elemente aus der Natur ergänzen: Steine, Äste, Baumstämme, Laub ...damit der Reviergang für sie anregend bleibt.

Mmmmmhh, das fresse ich am liebsten!

Nur in einem Punkt haben wir noch nicht Bernices Vorliebe gefunden: Leckerlies. Egal, was wir bisher ausprobiert haben, sie lässt alles liegen! Und nicht etwa, weil wir in der Nähe sind – nein, auch am nächsten Morgen ist das Zeugs noch da! Beim Nassfutter putzt sie – je nach Angebot – den Napf spiegelblank (als blinde Katze!), auch das Standard-Trockenfutter ist eher weggefressen als die besonderen Extras. Sahne schleckt sie gerne, und frisches Lammhack. Aber immer gibt es Zeiten, da lässt sie selbst das stehen und wartet auf ihr Futter. Überlegungen, ihr das ein oder andere vielleicht auch per Clickertraining beizubringen, scheitern bislang einfach daran...

So geschieht doch wieder eine ganze Menge in diesen dösigen heißen Wochen, wenn auch vor allem in unseren Köpfen und in der Gestaltung des Umfeldes für Bernice.

 

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