Abwärts!
„Ich will wieder hinunter!“
Nach einem der Gartenausflüge setzt Monika Jula auf der letzten Treppenstufe vor dem Dachgeschoss ab, damit sie zumindest eine Stufe hinauf selbst bewältigt. Es wäre sicherlich gut für sie, mal wieder Höhen zu überwinden, denn das hat sie schon lange nicht mehr getan.
Doch Jula, die sich beim Hinauftragen schon recht ungehalten gezeigt hat, will gar nicht in ihr vertrautes Reich zurück! Fauchend und knurrend tappt sie auf der Stufe wenige Schritte hin und her. Bald schon tritt sie dabei ins Leere, doch bevor sie die Stufe hinterpurzelt, krallt sie sich in den Sisalstreifen am Rand der Treppe. Und dann auf einmal streckt sie eine Pfote lang und tastet in die Tiefe! Ganz lang wird das Bein und die Zehen sind weit gespreizt, bis sie mit der Pfote die nächste Stufe berührt. Vorsichtig setzt sie die zweite Pfote daneben und zieht den restlichen Körper nach. Und sogleich schnuppert sie über die Kante in die Tiefe und wieder schiebt sie eine Pfote ganz weit vor und tastet nach unten.
„Na, so tief ist es hier ja gar nicht ...“
Wir sind fassungslos: Jula geht die Treppe runter!! Atemlos sehen wir zu, wie sie Stufe für Stufe bewältigt, jede Aktion gelingt ihr leichter als die vorhergehende. Mit Vorsicht und Bedacht, aber zielstrebig geht sie in einem Rutsch die ganze Treppe in die 1. Etage immer am „Catwalk“ entlang, den wir ja schon vor Monaten für sie angelegt haben (siehe „Verschönerungen“). Unglaublich!
Am Fuße der Treppe bleibt sie nicht lange sitzen, schleicht sich schnuppert sogleich in das erste angrenzende Zimmer, geht in die Ecken und entlang der Möbel, verweilt hier und da, um zuletzt wieder etwas erschöpft (und ratlos?) an der Treppe zu sitzen. Als sie keine Anstalten macht, ihren Erkundungsgang fortzusetzen, tragen wir sie nach einer Weile wieder hinauf ins Dachgeschoss.
„So viele Stufen noch ...“
„Ich muss mich ganz schön konzentrieren.“
„Ob ich das alles schaffe?“
Nur zwei Tage später toppt Jula dieses Ereignis um ein Vielfaches! Wieder haben wir sie nach dem Gartenausflug auf der vorletzten Stufe abgesetzt und wieder tastet sie sich die ganze Treppe hinunter! Diesmal schon sicherer nimmt sie souverän Stufe um Stufe und inspiziert auch wieder das Zimmer unten an der Treppe. Diesmal hat sie offensichtlich noch Kraftreserven, denn nun erkundet sie zielstrebig (auf Bellas Duftspuren?) alle weiteren Zimmer gründlich. Sie lässt nichts aus, geht sicher und konzentriert schnuppernd durch zwei weitere Zimmer und das Bad, bis sie schließlich an der Treppe zum Erdgeschoss steht.
„Oh, ich bin unten!“
Auf unser Locken hin prüft sie wieder sehr vorsichtig mit der Pfote die erste Stufe (hier liegt kein Sisalstreifen auf der Treppe) und geht genauso zielstrebig wie vorher die ganze Treppe bis ins Erdgeschoss hinab (und wir haben dabei endlich unsere Kamera zur Hand!). Mit jedem Schritt wird Jula sicherer und kräftiger, als ob eine Erinnerung sie führt. Wow!! Uns stehen die Tränen in den Augen: Nach 15 Monaten fängt Jula an, sich das Haus zu erobern! Und jetzt schon gleich zwei Treppen!
„Puh, erst mal eine Pause!“
Nach einem kleinen Gang durch die Küche, lässt sie sich erschöpft auf den Fliesenboden fallen und ruht sich erstmal aus. Bella liegt derweil in sicherem Abstand.
Nach einer Pause nimmt Jula auch das Wohnzimmer unter die Pfoten, und es kommt zur Begegnung der beiden Tigerinnen, ausgerechnet an Bellas Lieblingsplatz, der Fußmatte an der Terrassentür. Bella legt für einen Moment die Ohren ganz flach und duckt sich klein, Fauchen, Knurren und sogar Schlagen von beiden Seiten bestimmen das Klima, bis ein Zwischenruf von Monika der Auseinandersetzung ein Ende setzt. Daraufhin trollen sich beide in verschieden Richtungen.
Auch nach dieser Haustour bringen wir Jula wieder auf dem Arm hinauf, noch hat sie nicht gezeigt, dass sie die Treppen auch nach oben bewältigen kann, ein paar Stufen wohl, aber würde sie vom Erdgeschoss ihr Zimmerchen wiederfinden?
Bella beobachtet alles aus sicherer Distanz.
Im Kontakt der beiden Katzen bleibt Jula recht selbstsicher, Bella ist zwar etwas ängstlich – aber sie sind interessiert aneinander, das ist jetzt offensichtlich. Immer wieder geht das Horchen und Schnuppern beider in die Richtung der anderen, vor allem im Garten folgt die eine den Spuren der anderen. Sie liegen schon mal entspannt im Abstand von knapp einem Meter im Gras oder auf der Terrasse. Ob das nun schon sehr nah bedeutet bei blinden Katzen, können wir nicht wirklich einschätzen, sie können sich ja nicht sehen. Bella nähert sich gelegentlich Jula, auch schon mal bis zum Anstupsen, erschrickt dann aber noch jedes Mal (vor der eigenen Courage?) und geht im Rückwärtsgang wieder auf Abstand. Jula lässt solche Momente meistens einfach geschehen! Selten nur faucht oder knurrt sie. Soweit wir es mitbekommen, ist es nur eine Reaktion, wenn Bella vorher schon damit loslegte.
Nur wenige Abende später überrascht uns Jula schon wieder, dieses zähe, mutige Wesen! Spät abends hören wir auf einmal das zarte Kratzen von Krallen auf den Holzstufen. Jula will alleine los! Kein Mensch in der Nähe, sie versucht es auf eigene Pfote. Offensichtlich wird es ihr dann doch suspekt, nach einigen Stufen macht sie kehrt und hoppelt wieder hinauf.
Gegen halb eins in der Nacht wird Mary von Katzengeschrei aufgeschreckt – das kann nur Jula sein – und eilt die Treppe zum Dachgeschoss hoch. Da sitzt sie schon mittendrauf: Jula auf Nachtgang! Mary und Jula Aug' in Aug': Soll ich was sagen? Es ist mitten in der Nacht! Tappen auf den Stufen von unten: Bella ist hinterhergelaufen und legt sich beruhigend schnurrend vor die Treppe. Mary zieht sich zurück. Jula auch. Stille kehrt ein. Bella schnurrt weiter und schläft ein. Sie verbringt die ganze Nacht im 1. Stock direkt gegenüber der Treppe, auf den dort liegenden Utensilien schlafend. Eigenartig, sonst ist ihr Liegeplatz hier im Flur immer die freie Ecke direkt daneben ...
Es ist ein echter Durchbruch für Jula und jetzt beginnt eine neue Phase, sie erweitert ihren Lebensraum um ein großes Stück! Wir sind so froh und glücklich über diese Entwicklung der letzten zwei Wochen!
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